Das Wasser steigt. Der Klimawandel, eines der dringendsten globalen Probleme unserer Zeit, lässt unsere Meere anschwellen und verändert die Lebensumstände für Milliarden von Menschen. Auf den Malediven, einem zerbrechlichen Paradies, das kaum über dem Meeresspiegel liegt, wird nun Geschichte geschrieben. Der Bau einer schwimmenden Hauptstadt ist keine futuristische Fantasie mehr, sondern eine notwendige Realität.
Seit Beginn der Industrialisierung ist der Meeresspiegel weltweit bereits um 20 cm gestiegen. Und die Rate beschleunigt sich: Während er im 19. Jahrhundert jährlich um 1,4 mm stieg, waren es im letzten Jahrzehnt bereits 3,7 mm. Abhängig von unseren globalen Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgase könnte der Anstieg bis 2100 zwischen 0,4 und 2 Metern liegen.
Metropolen wie Jakarta, Bangkok, Tokio und Shanghai verfolgen das Projekt der Malediven als mögliches Modell für ihre eigene Zukunft.
Schon seit Jahrhunderten ein erprobtes Modell.
Die Niederlande, ein Land, das fast ein Viertel unter dem Meeresspiegel liegt, ist ein historisches Beispiel. Die Grachten der niederländischen Hauptstadt sind gesäumt von Hausbooten. Hier wurden Wohnungen auf dem Wasser aus dem Wunsch nach bezahlbaren Wohnraum geschaffen.
Ursprünglich dienten sie im 20. Jahrhundert als Lösung für den Wohnungsmangel, aber heutzutage sind sie hochmodern ausgestattet und ein begehrtes Domizil. Die Boote, meist aus Holz und Stahl, sind fest verankert und an die städtischen Versorgungssysteme angeschlossen.
Tatsächlich ist der niederländische Immobilienentwickler Dutch Docklands neben der maledivischen Regierung der Hauptfinanzierer der neuen maledivischen Hauptstadt. Der niederländische Architekt Koen Olthuis, bekannt für seine Wasserbauten, leitet das Design, das von oben aussehen soll, wie eine riesige Koralle.
Das Leben auf dem Wasser ist keine europäische Erfindung.
Eines der ältesten Beispiele für das Leben auf dem Wasser sind die schwimmenden Inseln der Uros auf dem Titicaca-See in Peru. Diese Inseln werden ständig erneuert, indem Schichten des Totora-Schilfs hinzugefügt werden. Die Uros nutzen das Schilf auch zum Bau ihrer Boote und Hütten – eine Tradition, die Jahrtausende zurückreicht. Historisch gesehen suchten sie Zuflucht auf dem Wasser, um den kriegerischen Inka-Stämmen zu entkommen. Durch das Bauen auf dem Wasser konnten sie ihre Position leicht verändern und sich so vor feindlichen Übergriffen schützen.
Auch auf dem Tonle Sap-See in Kambodscha sind Gemeinschaften entstanden, die die einzigartigen hydrologischen Bedingungen des Sees zu nutzen wissen. Der Tonle Sap hat ein einzigartiges Ökosystem: Während der Monsunzeit steigt sein Wasserspiegel dramatisch an und dehnt sich aus. Dies macht das Fischen sehr produktiv. Die schwimmenden Häuser, oft auf Bambusflößen errichtet, ermöglichen es den Bewohnern, sich mit den saisonalen Wasserschwankungen zu bewegen und ständigen Zugang zu reichen Fischgründen zu haben. Andere Dörfer stehen auf hohen Holzpfählen und sind dadurch an unterschiedliche Wasserstände angepasst.
Leben auf dem Wasser als Luxusmodell?
Auch ohne Not zieht es im Westen inzwischen viele Menschen aufs Wasser. Ganze Wohnsiedlungen von Yachten liegen in den Häfen von Florida und Kalifornien. Und immer mehr wohlhabende Rentner haben Kreuzfahrtschiffe als dauerhafte Heimat auserkoren. Abseits des historischen Kontexts ist diese Wahl weniger eine Notwendigkeit als vielmehr ein Luxus. Für diese Menschen bieten Kreuzfahrtschiffe ein Leben der Entspannung, ständigen Unterhaltung und der Möglichkeit, die Welt zu sehen, ohne jemals „zu Hause“ zu verlassen.
Auch das Leben der geplanten 20.000 Bewohner der neuen maledivischen Hauptstadt wird nicht billig. Der Preis für ein Haus dort soll zwischen 150.000 und 250.000 US-Dollar liegen – Nicht gerade wenig, bedenkt man, dass ein typisches Gehalt bei gerade einmal $7,000-11.000 USD pro Jahr liegt.
Doch zumindest im Bezug auf den Klimawandel will es das geplante Design dieser schwimmenden Hauptstadt der Malediven richtig machen. Es berücksichtigt umweltfreundliche Materialien, autarke Energiesysteme und fortschrittliche Wasserentsorgungsmethoden. Die Gebäude werden auf schwimmenden Plattformen stehen, auf deren Verbindungspunkten kleine Parks oder Plätze angelegt werden. Die Plattformen sind über Teleskop-Pfähle mit dem Meeresboden verbunden, um mit den Gezeiten bis zu zwei Meter nach oben und unten gehen zu können.
Bereits 2027, nach nur 5 Jahren Bauzeit, soll die Stadt fertiggestellt werden. Wenn es so weit ist, schauen wir gerne mal vorbei.