Datum: 27.10.2018 | Ort: Vinales
Als ich am nächsten Morgen komplett gerädert aufstehe habe ich grässliche Kopfschmerzen, die bei jeder Bewegung unangenehm pulsieren. Unsere Touristenfängerin begrüßt uns beim Frühstück, frägt uns ungeniert ganz detailliert über unsere Pläne aus und versucht und für heute – oder wenn nicht heute dann doch auf jeden Fall morgen, eine Tour aufzuschwatzen. Die Tagestour für 35 CUC ist auch ganz besonders zu empfehlen. Wir winken dankend ab. Max verspricht mir am Nachmittag andere Unterkünfte mit mir anzusehen.
Das Frühstück in der Unterkunft ist überraschend gut. Es gibt getoastete Sandwiches in Burgerbrötchen, Ei, Obst, Käse und Pfannkuchen. Als ich darum bitte bei meinem Ei keinen Speck zu bekommen, bekomme ich sogar ungefragt ein neues Sandwich, da das bisherige mit Wurst ist.
Versteht mich bitte nicht falsch. Die Unterkunft ist in der Austattung nicht viel schlechter als unsere Unterkunft in Trinidad. Aber im Gegensatz zu dieser fehlt es komplett an Herzlichkeit. Außerdem kommt man nicht umhin sich zu fühlen wie eine Legehenne die goldenen Eier legt. Klar wollen die Leute Geld mit einem machen. Vermutlich hat es diese Unterkunft es damit auch nicht so leicht, da sie etwas abseits liegt und nicht so fancy ist wie viele andere. Ich gönne es ja auch jedem ein gutes Geschäft zu machen. Aber so wie wir zu der Unterkunft gekommen sind, so wie sie uns am Anfang belogen hat (leise Klimaanlage, keine Mücken, gratis Internet) und zu den zwei Übernachtungen gedrängt hat, kann ich sie einfach nicht leiden.
Eine Tour im Vinales-Tal
DIe Tourist agency
Wir machen uns auf den Weg in die Stadt. Fünf Minuten bevor die Tour los geht, sind wir an der Agency, wie vereinbart. Entsprechend der kubanischen Pünktlichkeit hat sie noch gar nicht offen. Zehn Minuten nach vereinbarter Zeit öffnet uns ein Herr die Tür. Er spricht gut Deutsch. Mit den Belegen, die uns seine Kollegin gestern gegeben hatte, kann er allerdings nichts anfangen.
Das Gespräch läuft in etwa so:
Er: „Habt ihr eine Tour gebucht?“
Wir: „Ja“
Er „Um wie viel Uhr denn?“
Wir: „Um 9“
Er: „Ach okay. Das ist es ja bereits. Welche Tour denn?“
Wir: „Die kleine zu Fuß“
Er: „Ahja, und gezahlt habt ihr gestern bei der Kollegin?“
Wir: „Ja“
Er: „Ahja, na dann wartet draußen. Euer Guide holt Euch dann gleich.“
Ich frage mich ernsthaft für was wir den Beleg gestern bekommen haben.
Die Wanderung mit Feuer
Vor der Tür steht ein schlaksiger großer Kerl, in einem seltsamen Sammelsurium aus Klamotten, mit Dschungel-Hut, Treckingschuhen, Sportsonnenbrille, langen Haaren und einem ‚einiges mehr als drei-Tage-Bart‘. Mein Vater würde ihn als Halodri beschreiben. Ich bin mir nicht sicher, ob es dafür ein Wort im Hochdeutschen gibt. Er heißt Yummy und ist unser Guide. Er unterhält sich gerade mit einer Frau, die er uns kurz darauf als seine Frau vorstellt. Sie haben wohl zwei Kinder und einige Hunde und Katzen daheim. Außerdem kann sie gut kochen. Die Familienverhältnisse sind also schnell besprochen.
Wir gehen los. Er geht in gutem Marschtempo voran. Wir müssen ein gutes Stück gehen, ehe wir Vinales hinter uns lassen. Über Feldwege, die vom Regen des Vortages beinahe bis zur Unbegehbarkeit aufgeweicht sind, geht es tiefer in das Vinalestal hinein. Unser Guide plaudert sehr offen mit uns über Kuba, über Autos und Landwirtschaft. Außerdem ist er sehr technikbegeistert. Unsere Kameras haben es ihm ganz besonders angetan. Er erzählt uns, dass er selber Singer-Songwriter ist und eine Mischung aus Salza und Raggeaton spielt. Dabei mag er besonders die mexikanische Musik. Allerdings er kann sich mit dem Handy immer so schlecht selbst aufnehmen. So ein Gimbel, das wär’s!
Max fachsimpelt einige Zeit mit ihm, als wir an einem Gemüsegarten vorbeikommen. Unser Guide angelt uns einige kleine Paprika heraus und gibt Max eine. Sie seien nicht schraf, nur aromatisch. Max beißt herzhaft hinein und verzieht das Gesicht. Er muss ausspucken. Unser Guide sieht ihn ungläubig an. „Max, don’t tell me!“ sagt er lachend. Ich soll ebenfalls probieren und knabber vorsichtig an einer Schote. Sie ist gar nicht scharf, nur ein Kern auf den ich beiße, der hat ordentlich Feuer. Die Kerne verwendet man aber nicht zum Kochen. Unser Guide erzählt uns, dass es jetzt eine neue Sorte gibt die der milden sehr ähnlich sieht aber scharf ist. Neulich hatte er sie verwechselt und konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen. Dort, wo er sich den Mund mit dem Handrücken abgeputzt hatte, hatte er sogar eine leichte Verätzung auf der Haut gehabt.
Kubanische Zigarren
Dann kommen wir an eine Tabakplantage. Überall laufen Hühner herum. Wir werden in eine kleine Hütte geleitet. Eine andere deutsche Gruppe, zwei Paare, ist gerade angekommen. Wir werden gebeten für sie ein bisschen zu dolmetschen. Die vier sind ungefähr Mitte Vierzig und lustig drauf. Der Plantagenfarmer kommt zu uns. Er sieht genau so aus wie man sich einen Tagbakplantagenbesitzer vorstellt. Er ist handfest gebaut, hat eine eher ruhige aber bestimmte Art und sehr viel Selbstvertrauen in der Stimme. Man kann ihn sich wunderbar mit einer Zigarre und einer Flasche Rum vorstellen.
Er erklärt uns ganz detailliert den Anbau des Tabaks von November bis Februar, die Trocknung, das Einweichen und Reifen lassen und schließlich das Rollen der Zigarre. Auch, dass die verschiedenen Tabakstärken durch die Verwendung der Blätter von unterschiedlichen Stellen der Pflanze entstehen, erzählt er. Dann rollt er eine Zigarre. Ich finde das Ganze ziemlich spannend.
Er fragt ob wir eine Zigarre probieren wollen. Ich hab noch nie in meinem Leben auch nur eine Zigarette geraucht, aber da er versichert, dass so gut wie kein Nikotin im Endprodukt übrig bleibt, probiere ich doch mal. Man ist schließlich nur einmal auf Kuba in einer Zigarrenfabrik. Zumindest hab ich es nicht noch einmal geplant.
Die Zigarre wird in Honig getunkt, dann angezündet. Man soll nicht auf Lunge rauchen. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie man Einatmen soll, ohne die Lunge zu verwenden. Ich versuche die Backen aufzublasen. Es sieht bestimmt total dämlich aus, aber irgend etwas kommt in meinem Mund an. Es schmeckt irgendwie süß, sauer und nach Tee. Nicht schlecht aber auch nicht wirklich gut. Ich hatte Zigarre rauchen auf Kuba nicht auf meiner ToDo-Liste, hake es aber geistig hiermit ab.
Was ich gut finde ist, dass der Herr die Zigarre nicht in Rechnung stellt. Das heißt man kann hier zuhören und mitmachen und es kosten nichts extra. Natürlich kann man Zigarren kaufen. Max kauft auch fünf. Die anderen Deutschen auch. Ein schlechtes Geschäft macht der Herr mit uns nicht, aber auch nicht das Geschäft seines Lebens.
Wir gehen Weiter. Ich frage unseren Guide, was es mit den auffällig vielen Hühner hier auf sich hat. Hahnenkämpfe, erklärt er uns. Ich bin nicht wirklich begeistert, denke aber an deutsche Hühnermastbetriebe. Im Vergleich dazu sind die Hühner hier wirklich großartig untergebracht und haben ein tolles Leben.
Als wir durch die Felder Laufen, zeigt und unser Yummy eine Scheune zum Tabak trocken. Sie ist wirklich hoch. insgesamt ist sie ziemlich imposant.
Die Stiele der Tabakblätter, in denen sich bei der Reifung das Nikotin anreichert, die aber für die Zigarren nicht gebraucht werden, werden hier in der Region als Pflanzenschutzmittel für die jungen Tabakpflanzen verwendet. Mir gefällt der Biogedanke dahinter.
Kubanischer Kaffee
Als nächstes kommen wir auf eine Kaffeefarm auf der auch Rum aus Guaven hergestellt wird. Daniel, ein Arbeiter dort, erklärt und und der anderen deutschen Gruppe, die uns auf Pferden gefolgt ist, wie der Kaffee angebaut und verarbeitet wird. Das hat man jedoch schon mal gehört und es ist jetzt nicht so wahnsinnig spannend. Danach erklärt er, wie sie ihren typischen Rum herstellen. Wir dürfen ihn probieren. Ich bin kein großer Rumtrinker und nehme ihn maximal zum Backen normalerweise. Er riecht seltsam, schmeckt seltsam. Mit Saft gemischt, wie Daniel vorschlägt, könnte ich ihn mir aber vorstellen.
Anschließend kann man Rum, Kaffee oder einen kalten Fruchtsaft kaufen. Mit 4 CUC ist der Saft ziemlich teuer. Max und ich teilen uns einen, weil uns inzwischen gut warm und unser mitgebrachtes Wasser auch schon lauwarm ist. Auch hier müsste man nichts kaufen, kann aber probieren. Klar kauft man irgendwas. Es nennt sich Tupperparty- Effekt oder auch Reziprozitätseffekt – Könnt ihr gerne mal googeln.
Höhlenwanderung in Vinales
Wir ziehen weiter. Es geht bergauf, bergab und durch den Matsch. Wie kommen an einen der steilen Basaltfelsen – eine Mogote. Der Anblick ist extrem kurios. Er ist lose bewachsen. Unser Guide erklärt uns, dass es einige gibt die beliebte Kletterfelsen sind. Dieser jedoch nicht. In diesem gibt es dafür einen unterirdischen Höhlengang der hindurchführt. 2 CUC je Person kostet er Eintritt. Wir sind gut gelaunt und auf Entdeckertour also machen wir auch das.
Der Gang ist ziemlich hoch, bestimmt vier Meter an den meisten Stellen, an vielen Stellen auch noch höher. Dafür ist er sehr schmal. Er misst an vielen Stellen nur eine Unterarmlänge in der Breite. Für mich ist das gut machbar. Max der allerdings deutlich mehr Mensch ist als ich , kommt an einigen Stellen schon fast an seine Grenzen.
Wir sind nicht alleine im Gang. Diese Attraktion hat ihren eigenen Guide, der die Leute durch die Höhle lozt. Yummy wartet derweil draußen. Außer uns ist auch noch eine slowenische Gruppe dabei. Da wir unsere ganze Fotoausrüstung auch noch heil durch den nassen und engen Tunnel bekommen möchten und dabei auch noch versuchen ein paar Eindrücke auf Bildern festzuhalten, verlieren wir immer wieder den Anschluss. Das ist nicht tragisch, denn es gibt nur einen einzigen Gang ohne Gabelungen. Allerdings hat der Guide die beste Taschenlampe. Ohne die, nur mit unseren Handytaschenlampen wird es ein bisschen finster. Außerdem bekomme ich auf diesem Wege keinerlei Erklärungen mit. Nur die drei Fledermäuse an der Decke sehr ich gerade noch, als ich um eine Ecke biege. Dann geht der Guide schon wieder weiter.
Nach nicht einmal einer Viertelstunde kommen wir am anderen Ende der Höhle schon wieder heraus. Das Preis- Leistungsverhältnis ist hier nicht so prickelnd, zumal der Guide mal ein bisschen langsamer hätte gehen können, damit wir uns die Höhle in Ruhe ansehen können. Am Ausgang gibt es Kokosnüsse. Wir lehnen dankend ab. Jeden Scheiß müssen wir ja auch nicht kaufen – zumindest im Moment.
Der Rückweg nach Vinales
Die Tour geht weiter durch Dschungel. Unser Guide schwärmt uns weiter von seiner Musik vor. Wir beschließen ihm etwas auszuhelfen. Wir planen eh bereits eine weitere Tour mit ihm. Wir schlagen ihm vor, dass er dort seine Gitarre mitbringen soll, dann filmen wir ihn. Er ist Feuer und Flamme.
Wir kommen an ein Restaurant. Im Garten wird uns ein Strauch gezeigt, dessen stachelige Frücht an eine Mischung aus Mini Stachelbeere und Mini-Kastanie erinnern. Im Inneren haben sie Körner mit einer mehligen Konsistenz und einer intensiven orangen Farbe. Sie werden verwendet um den Reis in Kuba einzufärben. Ich mache eine Aufnahme davon mit der Kamera. danach ist meine ganze Hand orange. Yummy beruhigt mich. Es geht mit Wasser ab. Meine Fingernägel bleiben trotzdem noch ein paar Tage orange.
Anschließend wird uns der Kräutersmoothie des Hauses nahegelegt. Wir können nicht nein sagen und kaufen uns noch ein großes Wasser dazu. Eine kleine Katze belagert uns und wird ausgiebig geknuddelt. Außerdem bekommt sie ein paar Reste eines Sandwichs, das ich heute Morgen eingesteckt hatte. Es ist kein Katzenfutter, aber vermutlich das kalorienreichste was das zierliche Ding in letzter Zeit gesehen hat.
Wir gehen weiter. Unterwegs pflückt uns Yummy einige Guaven von einem Baum. Sie sind lecker.
Dann trennen sich unsere Wege. Wir verabreden uns für den übernächsten Tag in der Früh. Klar war es irgendwie eine Kaffeefahrt, aber wir hatten trotzdem einen sehr schönen Vormittag – auch wenn wir mehr Geld ausgegeben haben als geplant.
Fieber auf Kuba
Wir gehen zurück zur Unterkunft. es ist gerade kurz nach Mittag. Max ist ungewöhnlich still. Er duscht kurz, dann legt er sich ins Bett. Kurz darauf bekommt er Fieber, bis auf 38,6 °C. Ich mache mir Sorgen um ihn. Fürs Erste lasse ich ihn ein wenig schlafen. Das Fieber pendelt sich auf 38,2°C ein und bleibt für einige Stunden auf diesem Niveau.
Am frühen Abend sinkt es langsam wieder etwas und Max bekommt Hunger. Das ist ein gutes Zeichen. Ich biete ihm an etwas zu organisieren, aber er fühlt sich fit genug essen zu gehen. Auf dem Weg in die Stadt machen wir bei einer Casa halt, die mir am Vortag aufgefallen war. Sie hat ein gepflegtes Äußeres und Glasfenster. Wir klopfen und fragen, ob sie ein Zimmer haben. Sie verneinen, aber ihre Nachbarin, die gerade da ist, hätte eins. Ich bin etwas enttäuscht, gebe der Nachbarin aber eine Chance. Sie führt uns durch ein Tor auf einen Hinterhof. Überall stehen Pflanzen und Obst und Gemüse. Anscheinend haben sie einen fahrbaren Gemüsestand.
Eine alte Dame schrubbt gerade eine Art Gemeinschaftsküche. Das Zimmer, das wir gezeigt bekommen ist großzügig. Es ist in dezenten Farben gestrichen, hat Glasscheiben in den Fenstern und eine herrlich leise Klimaanlage. Kosten soll es 20 CUC. Das ist voll im Rahmen. Wir fragen wann wir am nächsten Tag beziehen können. Ab 10 wäre es okay. Wir sind beide begeistert. Ich persönlich hätte mir ja aus Neugierde gerne noch einige weitere Casas angesehen, aber mehr kann ich Max heute nicht zumuten.
Also gehen wir essen. Ich habe Käsebällchen, die zu kurz frittiert und somit außen weich sind und ein Sandwich auf dem nur Gurken sind (kein Käse, keine Soße, keine Gewürze). Max hat eine große Portion Grillfleisch und ist selig.
Nach dem Essen gehen wir zurück in die Unterkunft. Eine lange und unruhige Nacht beginnt mit dem Geschrei nach Antonio, einem Gartenfest der Nachbarn, einer extrem lauten Klimaanlage und einem extrem unruhigen Max, der wieder leicht fiebert. Ich schlafe nur wenig und das sehr schlecht.
Spannende Geschichte über die Zigarren, muss ich auch mal zumindest probieren… 😉