Datum: 20.10.2011 | Ort: Trinidad
Wider erwarten habe ich am folgenden Morgen keinen Muskelkater und fühle mich toll. Überhaupt beginnt der Tag sehr erfreulich, denn heute wollen wir in den Naturpark wandern gehen und dann im Wasserfall baden. Die Aussicht darauf gefällt mir außerordentlich. Außerdem haben wir für heute bei unseren Gastgebern Ramón Frühstück bestellt. Ramóns Frau gibt sich große Mühe uns aufzutischen. Es gibt Obst, Omelett, Brot, Marmelade, Saft und Kaffee. Es ist sehr lecker.
Als wir gerade mit dem Essen fertig sind, gesellt sich Faith zu uns in den Garten. Sie ist von einer Pferdetour am Vortag etwas angeschlagen. Ob es ein leichter Hitzeschlag ist, oder ob sie etwas falsches gegessen hat, weiß sie nicht genau. Wir tauschen uns ein bisschen über unsere Eindrücke bei den Ausflügen aus. Sie erzählt mir von ihrer furchtbaren Pizza am Vortag und ich schlage vor später gemeinsam Abendessen zu gehen. Dann würde ich ihr das Adita zeigen.
Gegen 11:00 Uhr packen Max und ich unsere Rucksäcke und ziehen los. Da wir relativ viel Kameraausrüstung dabei haben und im Park baden gehen wollen, nehme ich heute ausnahmsweise meinen Packsafe Rucksack mit. Somit kommt er endlich auch einmal zum Einsatz. Bisher hatten wir ihn nur genutzt, um unsere Wertgegenstände am Bett festzuketten. Ich habe keinen Zweifel daran, dass man ihn mit genug Zeit, Zerstörungswut und einem scharfen Messer aufbekäme, aber die Idee von Sicherheit fühlt sich schon irgendwie ganz beruhigend an.
Hier geht’s zu unserer Ausrüstung.
Zufuß zum Nationalpark von Trinidad
Wir laufen los. Max navigiert mit seiner Sightseein App. Wir gehen in eine komplett andere Richtung, als ich erwartet hatte. Nicht etwa in Richtung der Bahngleise, nein es geht eher nach hinten über die Bergkuppe seitlich hinüber. Wir laufen durch etwas ärmere Wohnviertel. Was mir hier, aber auch in allen anderen Kubas auffällt, ist, wie viele Menschen den ganzen Tag auf der Straße sitzen. Ältere Leute sitzen auf den Stufen vor ihren Häusern, betrachten das bunte Treiben, Kinder spielen Fangen oder Murmeln und häufig sehen wir Leute vor der Tür oder bei offenem Fenster Domino spielen. Außerdem sitzen immer wieder Gruppen junger Leute herum, hören Musik und unterhalten sich. Es ist zwar irgendwie immer laut, aber ich finde es angenehm so viel Leben um mich herum zu haben.
Wir kommen an eine Betonstraße, die in leichten Kurven den langen Berg hinabführt. Schatten gibt es nur auf den ersten hundert Metern. Dort sind etliche gesattelte Pferde angebunden. Eifrige Fremdenführer versuchen ihr Geschäft mit uns zu machen und uns zu den Pferden zu überreden. Doch wir bleiben eisern und sie lassen uns mit einer Mischung aus Verwunderung, Enttäuschung und Bewunderung ziehen. Ich denke, dass nicht viele Touristen den Weg zu Fuß gehen. Wir begegnen an diesem Tag zumindest niemandem.
Die Sonne brennt herunter und auch die Straße heizt sich bald auf. Trotz Sonnencreme fühlen wir bald auch, wie sich unsere Haut gegen einen Sonnenbrand zur Wehr setzen muss. Max, der die Fahrradtour gestern mit dem Mantra ‚Ich brauche keinen Sonnencreme, ich will braun werden‘ angetreten hatte, leidet heute besonders. Sonne auf Sonnenbrand ist nun mal nicht angenehm. Doch ich sehe gerade keine akute Gefahr für sein Leben und nachdem er gestern seinen Dickschädel durchgesetzt hatte mit der Fahrradtour, bleibe ich heute eisern meinen Park sehen zu wollen. Gut gelaunt marschiere ich weiter.
Die Betonstraße geht in einen Weg aus Sand und Ton über. Wir überqueren einen kleinen Fluss. Zwei alte Herren, der eine zu Pferd, der andere zu Fahrrad, gesellen sich zu uns und texten uns auf Spanisch zu. Sie wollen uns unbedingt irgendetwas über den Park erzählen. Falls ihr mal vor Ort sein solltet und herausfindet, dass man weniger Eintritt zahlt, wenn man eine Limonade kauft, lasst es mich bitte wissen. Ich verstehe die beiden nämlich nicht wirklich. Als sie sich schließlich verabschieden, sind wir kein bisschen klüger als vorher, nur sehr verwirrt und bestätigt darin Spanisch lernen zu müssen.
Am Rande des Weges kommen nun einige kleine Höfe. Das ein oder andere Pferd läuft frei herum und die Leute grüßen uns freundlich aber verwundert.
Wir kommen an eine Weggabelung. Max App schlägt einen Weg zu unserer Linken vor. Er führt über Bahngleise. Das Gras darauf steht hoch und ein braunes Pferd grast zwischen den Schienen.
Als wir weiter gehen wird der Weg immer matschiger. Stacheliges Gestrüpp säumt den Weg zu beiden Seiten. Nicht selten müssen wir über Pfützen hüpfen oder im Slalom um Schlammmulden herumlaufen.
Als wir weiter gehen, stehen wir plötzlich auf einem Hof. Ratlos sehen wir uns um, wo denn der Weg weiter geht. Da kommt ein Herr mit Pferd im Schlepptau über den Hof geschlendert. Er erkennt zum Glück unsere Hilflosigkeit und deutet uns den Weg. ‚Porta, Porta‘ wiederholt er immer wieder und zeigt auf eine Koppel. Wir danken ihn und gehen durch das Koppeltor.
Der erste Bereich ist voller Dornenbüsche. Hier geht es einen kleinen Hang hinab. Durch ein weiteres Tor geht es auf eine Pferdekoppel. Die Weidefläche vor uns erstreckt sich auf gut einen Quadratkilometer. Aufgeteilt ist sie in fünf Bereiche, die mit Stacheldraht voneinander getrennt sind. Der Draht ist an Ästen befestigt, die in den Boden gerammt wurden. Einige davon haben erneut ausgetrieben. Drei Weiden müssen wir durchqueren, um zum angrenzenden Waldstück zu gelangen.
Die Pferde auf der ersten Weide interessieren sich nicht für uns. Sie stehen in einiger Entfernung und grasen unbeirrt weiter. Als wir jedoch die Koppel zur hälfte durchquert heben, hebt auf der nächsten Weide ein ausgewachsener Stier seinen Kopf, schaut uns an und beginnt zu grölen. Der kehlige, schnaufende Laut, schallt laut durch die Stille. Ich verlangsame meinen Schritt und schaue mir das imposante Tier genauer an. Er ist groß, schwarz und hat massive Hörner. Er ist definitiv kein Zeitgenosse, mit dem ich mich anlegen Möchte. Doch unser Weg führt genau durch seine Koppel.
Er steht direkt am Grenzzaun, allerdings ein gutes Stück abseits des Weges. Im Kopf spiele ich das Szenario durch, wie lange er braucht um den Weg zu erreichen und wie lange wir brauchen um über den Stacheldraht zur Nachbarweide zu kommen. Es ist machbar, entscheide ich. Trotzdem habe ich ein mulmiges Gefühl als wir seine Weide betreten. Er röhrt zur Begrüßung nochmals in unsere Richtung, dann grast er weiter. Bedacht darauf keine hektischen Bewegungen zu machen, ein Auge immer auf den Fluchtweg, ein Auge auf dem Stier, gehen wir vorsichtig und doch zügig durch die Koppel. Der Stier beäugt uns aus seinen Augenwinkeln, grast aber weiter. Als wir den Durchgang zur nächsten Nachbarweide erreichen, hechte ich erleichtert durch den Koppelzaun. Hier erwarten uns Fohlen und Babykühe.
Am Ende der Koppel verläuft sich der Weg beinahe restlos. Nur ein schmaler Weg führt durch das Gebüsch. Zwei Ziegen flüchten aufgeregt, als wir neben ihnen durch die Spalte im Weidezaun klettern, die den Ausgang der Koppel darstellt.
Wir sind nun in einem Wald. Ein breiter Bach fließt nur wenige Meter entfernt an uns vorbei. Wir setzen uns einige Minuten ans Ufer und ruhen uns aus.
Nach einem halben Kilometer kommen wir an eine Hängebrücke, die über den Fluss führt. Auf der anderen Seite ist ein Restaurant. Wo genau der Weg zum Park weiter geht ist nicht ausgeschildert. Wir gehen also über den offensichtlichen Weg über die Brücke und sehen uns etwas um. Das Restaurant ist relativ leer, jedoch gibt es hier einen Parkplatz, an dem einige Touristenbusse stehen. Nachdem wir hier keinen Hinweis auf dem Park finden, gehen wir zurück Richtung Hängebrücke. Der Barkeeper brüllt uns hinterher. Fragend sehen wir ihn an. „You pay here“ herrscht er uns unfreundlich an und zeigt auf einen unscheinbaren Plan mit Eintrittstarifen, der an die Seite seines Tresens gepinnt ist. Die Auswahl an Tarifen ist groß, unverständlich aber läuft im Großen und Ganzen darauf hinaus, dass Touristen ohne Reisegruppe am meisten zahlen und zwar 10 CUC pro Person. Ob es günstiger geworden wäre, hätten wir eine Limonade gekauft, ich weißes nicht.
Ziemlich genervt von der schlechten Beschilderung und dem unfreundlichen Barkeeper / Kassierer, gehen wir zurück über die Hängebrücke. Nun sehen wir doch ein Schild, das das Wegenetz des Parks darstellt. Wirklich aufschlussreich ist es allerdings nicht, wenn man sich nicht auskennt. Max schlägt vor dem Fluss zu folgen, immerhin wollen wir zu einem Wasserfall. Es gibt keinen offiziellen Eingang in den Park, wir sehen an diesem Ufer auch keine Beschilderung bezüglich der Eintrittsgelder.
Der Nationalpark von Trinidad
Etwas demotiviert ziehen wir weiter. Der Fluss zu unseren Füßen ist sehr hübsch. Der Wald ist lichtdurchflutet. Das satte grün der Blätter, das schöne blau des Flusses und das Spiel aus Licht und Schatten geben tolle Fotos ab.
Der Weg ist teils aus roter Tonerde, großteils jedoch aus aus einem recht kantigen Gestein. Häufig geht der Weg Treppen aus unbehauenen Brocken hinauf, die einerseits scharfkantig, andererseits aber auch durch die Feuchtigkeit glitschig sind. Nach bereits gut sieben Kilometer Weg bis zum Park, bringt mich das nun doch etwas aus der Puste. Nach einem guten Kilometer etwa begegnet uns die erste Reisegruppe. Es sieht etwas nach einer Oberstufenfahrt aus, denn die Jungs und Mädels scheinen noch mitten in der Endphase ihrer Pubertät du stecken. Die meisten tragen nur Sandalen oder Flipflops. Mit einer Mischung aus Belustigung und Bewunderung beobachte ich, wie sie mit viel Kreischen, Kichern und Aneinanderklammer den steilen steinigen Weg hinunterkommen ohne sich Knochen zu brechen.
Nach einiger Zeit ist auf der rechten Seite des Weges eine hohe Felskante. Davor steht ein Schild, das auf eine Wespenkolonie verweist. Das Schild spricht von einer der größten Wespenkolonien der Welt. Viele Wespen sehen wir nicht, anscheinend ist die Kolonie gerade verlassen. Allerdings hängen zahllose Waben an dem Felsen bis in dutzende Meter Höhe. Es sieht schon beeindruckend aus. Wäre die Kolonie allerdings belebter, ich weiß nicht, ob ich so nah vorbei gehen wollen würde.
Wenig später kommen wir an eine erste Badestelle. Hier gibt es keinen Wasserfall und das Wasser ist auch nicht all zu tief, aber es schwimmen etliche kleine Fische darin herum und es wirkt recht einladend. Gerade wenn man mit Kindern unterwegs ist, ist dies sicherlich eine nette Badestelle – zumal bis zu diesem Wegabschnitt noch immer niemand unsere Tickets kontrolliert hat.
Wir gehen noch ein gutes Stück weiter, genießen die Natur. Wir überqueren einige Male den Fluss. Beim ersten mal ziehen wir noch unsere Schuhe aus und waten durch das Wasser. Danach sehen wir bei anderen Touristen, dass die kleinen Staumäuerchen und Stahlseile tatsächlich dazu gedacht sind sich hinüber zu hangeln. Es funktioniert erstaunlich gut. Beim zweiten Mal schlitze ich mir allerdings an einer Unebenheit im Stahlseil die Hand oberflächlich auf. Es ist nicht sehr schmerzhaft, ermahnt aber nicht zu unbekümmert herumzubaumeln.
Baden im Wasserfall auf Kuba
Schließlich kommen wir an den Wasserfall. Ein Herr sammelt dort die Tickets ein. Die Tickets gelten jedoch für mehr als eine Attraktion – der Park hat insgesamt drei Wasserfälle, von denen uns allerdings die anderen beiden zu weit zu laufen sind – und den Weg dorthin haben wir auch nicht gesehen. Daher gehe ich davon aus, dass auch nur der Eintritt in den großen Wasserfall, in dem man baden kann kontrolliert wird. Wenn ihr also knapp bei Reisekasse seid, könnt ihr den Eintritt ganz einfach umgehen, indem ihr nicht über die Hängebrücke geht, an der ersten Badestelle im Fluss badet und dann den großen Wasserfall nur von weitem anschaut. Bleibt zu hoffen dass die Eintrittsgelder wirklich dem Erhalt des Parks zu Gute kommen. Dann nämlich wären sie schon ein gutes Investment.
Als wir zum Wasserfall kommen, planscht gerade noch eine andere Touristengruppe im Wasser. Bis wir uns umgezogen und unsere Habseligkeiten im Rucksack an einem Baum abgesperrt haben, brechen sie allerdings auf und gehen.
Es ist gar nicht so einfach ins Wasser zu kommen. Die spitzen Felsen machen das Laufen schwer. Die Felsen im Wasser sind so glitschig, dass man darauf dast nicht stehen kann. Das Ufer ist an den meisten Stellen steil genug, um nicht einfach ins Wasser zu kommen und das Wasser zu flach, um einfach hinnein zu springen.
Auf allen vieren, mit viel Gewackel und ein bisschen Glück gelangen wir schließlich unbeschadet ins Wasser. Es ist im Vergleich zum Meer ziemlich kalt. Im vorderen Bereich des Wasserfalls, dort wo man auch hinnein kommt, ist das Wasser zu flach um wirklich zu schwimmen, mehr als Planschen ist hier nicht möglich.
Der Wasserfall selbst liegt in einer breiten Felsspalte. Das Wasser vor ihm ist dunkelblau. Insgesamt neun Meter ist das Wasser an der tiefsten Stelle tief. Ich bin froh, dass ich das erst nach meinem Besuch dort erfahren haben. Die Strömung vor dem Wasserfall macht es anstrengend in seine Richtung zu schwimmen. Immer wieder wird man auch in Richtung der Felsen abgetrieben.
Allerdings sieht man bereits vom flachen Wasser aus, dass neben dem Wasserfall eine Höhle ist. Ich habe im Internet davon gelesen und ich muss sie mir ansehen.
Daher nehme ich meinen ganzen Mut zusammen und schwimme durch das kalte, tiefe und unergründliche Wasser dort hin. In meinem Kopf habe Horrorszenarien, dass unter mir gruselige Tiere sind oder ein Sog oder Strudel. Max warnt mich davor vorsichtig zu sein mit spitzen Steinen, die unter der Oberfläche lauern können. Das macht meine Panik nicht wirklich besser. Ich spüre meinen Puls immer schneller schlagen.
Der Weg zur Höhle ist nicht weit, für mich ist er jedoch schier unendlich. Max will mich filmen beim in die Höhle schwimmen. Am Eingang der Höhle kralle ich mich an den Felsen um kurz zu verschnaufen und mich zu zwingen die Situation zu ertragen, wie ich es im Studium gelernt habe. Mein Herz pocht bis zum Hals. Da passiert es. Als ich mich gegen die Felswand lehne, werden meine Füße von der Strömung einfach darunter gesaugt. Es ist kein starker Sog, aber ich komme kurz aus dem Gleichgewicht. In diesem Moment ist es bei mir vorbei.
Zu wissen dass es unter mit unbestimmt tief weiter geht, ist die eine Sache. Zu wissen dass es unterhalb der Wasserkante auch unter den Felsen weit geht und ich keine Ahnung habe, was dort ist, wie tief es ist und zu befürchten zu müssen, dass auch nur die geringste Gefahr besteht unter Wasser unter den Felsen gezogen zu werden, ist mehr als ich in dem Moment ertragen kann. Daher tut es mir leid, ich kann dir leider nicht aus erster Hand sagen, wie groß die Höhle ist, wie weit man hinnein kann und ob dort spitze Steine im Wasser, oder Fledermäuse an der Decke sind. Ich nehme in diesem Moment einfach nur reiß aus. Mit der Strömung im Rücken kommt man zumindest wieder einfach zurück ins flache Wasser. Ich komme heil wieder ans Ufer. Dort bleibe ich erschöpft sitzen und bin mit den Nerven am Ende.
Versteh mich bitte nicht falsch, der Wasserfall ist toll und es sind jeden Tag so viele Touristen darin, dass er gar nicht gefährlich sein kann. Aber wer gewisse Probleme mit tiefem Wasser hat, mit starker Strömung, Enge, Dunkelheit, geschlossenen Räumen, (Schlangen, Krokodilen etc.) oder der Kombination aus allem, der kann hier schnell an seine Grenzen kommen. Da wünscht man sich dann doch zurück zu der netten flachen Badestelle ein Stück den Weg hinab, bei der man auf den Grund sehen konnte, kaum Strömung war und in der dafür nette kleine Fische im Wasser herumschwimmen.
Wir machen uns auf den Rückweg. Für die andren Wasserfälle ist es bereits zu spät. Wer alle Wasserfälle zu Fuß besuchen möchte, sollte bereits bei Tagesanbruch aufbrechen und sich vorher genau erkundigen, wie die Wanderroute verläuft. Wir haben nämlich keine Beschilderung gesehen. Der Rückweg geht schneller. Erstens geht er immer bergab, zweitens sind wir durch den Aufenthalt am Wasserfall nun wieder ausgeruht und das kalte Wasser hat den Kreislauf in Schwung gebracht.
Wir gehen zurück über die Weiden. Mich gruselt es bereits Kilometer vorher vor dem Stier. Doch das erweist sich als unbegründet. Als wir an die Weide kommen war dort zwischenzeitlich Schichtwechsel und es ist alles voller Ziegen. Ein paar Ziegen haben tolle Farben. Eine sieht aus wie ein Dalmatiner. Eine Weitere ist schwarz mit weißen Punkten.
Geier auf Kuba
Ein Adler kreist über der Herde, und beäugt die Jungtiere. Als wir die Wiese komplett überquert haben und wieder den Hang hinauf laufen laufen, steig direkt vor uns ein Geier aus dem Gebüsch auf. Ein weiterer kreist über uns. Vorsichtig und neugierig gehen wir den Hang hinauf. Ein weiterer Geier landet vor uns im Gebüsch. Als wir die Spitze des Hügels erreichen, sitzen zu unserer Rechten ein Dutzend Geier auf einem Holzgerüst und schauen uns an. Langsam, um sie nicht zu provozieren oder aufzuscheuchen, gehen wir weiter. Die Geier wenden sich von uns ab und hüpfen immer wieder auf den Boden. Andere fliegen vom Boden auf.
Ganz langsam und vorsichtig nähere ich mich ihnen mit der Kamera. Die imposanten Vögel lassen sich davon nicht wirklich irritieren. Ein paar beäugen mich, aber der Boden ist interessanter. Als ich noch etwa zwanzig Schritte von ihnen entfernt bin, sehe ich was sie so begeistert. Eine tote Zeige liegt auf der Weide. Ihr Bauch ist bereits aufgedunsen, Fliegen schwirren um sie herum. Ein Geier springt gerade auf ihren Bauch. Ich bin sehr froh, dass ich ihre vordere Körperhälfte, dort wo sich die anderen Geier gerade zu schaffen machen, nicht einsehen kann. Ich mache ein paar Fotos von den imposanten Vögeln, darauf bedacht sie nicht aufzuschrecken, dann trete ich den Rückzug an. Die Geier fressen ungeniert weiter.
Ungefähr zwanzig Meter von der Toten Ziehe und der Fressorgie entfernt entdecke ich eine Kuh auf der Weide. Sie liegt im Halbschatten eines Baumes, starrt das Ausweiden an und käut dabei nachdenklich ihr Mittagessen wieder. Ich frage mich, was dieser Kuh gerade durch den Kopf geht – abgesehen von Halbverdautem.
Beschwingten Schrittes laufen wir zurück Richtung Trinidad. Wir reden über die Erlebnisse des Tages, Max ist total begeistert von den Fotos mit den Geiern und insgesamt fühlen wir uns gerade beide sehr gut. Allerdings brennt uns gerade die Sonne wieder etwas auf, jetzt wo wir nicht mehr im schützenden Schatten der Bäume sind. Wir machen also einen kurzen Halt und ich hole mein mini Sonnenspray heraus, für das ich an dieser Stelle meiner Freundin Tanja ganz besonderen Dank ausrichten möchte, die es mir vor der Abreise noch geschenkt hatte. Es hat uns an diesem Tag nämlich den Arsch gerettet – oder viel mehr die Schultern.
Ein Reitausflug in den El Cubano
Während wir noch da stehen und ich Max (heute zum zweiten Mal) gegen seine Willen einsprühe, kommt eine Gruppe von Reitern an uns vorbei. Die Gruppe sieht ordentlich erledigt aus. Es sind alles Touristen. Sie wirken allesamt nicht wirklich sportlich und hängen erschöpft wie nasse Säcke in den Sätteln. Wir laufen ein Stück neben ihnen her. Ein Mädel erklärt uns auf Englisch, dass sie komplett am Ende ist. Ein jüngerer Kerl, der an der Spitze der Gruppe reitet, gesellt sich dazu und wir plaudern ein bisschen. Reiten war anscheinend nicht die kräfteschonendere Alternative. Die Reiter sehen alle so aus als hätten sie einen kräftigen Sonnenbrand und stünden kurz vor dem Hitzetod. Außerdem sind ihre Beine mit roten Pusteln übersäht. Ob diese von Mücken, Flöhen oder etwas ganz anderem Getier stammen, kann ich nicht sagen. Auch die Pferde wirken alles andere als munter. Eins der Pferde, neben dem ich einige Zeit herlaufe, trottet so lustlos und unaufmerksam vor sich hin, das es mich einmal fast umläuft und mehrmals vom Weg schubst.
Wir legen ein bisschen Tempo zu und lassen die Reitergruppe hinter uns. Mit beschwingtem Schritt und guter Laune bauen wir erstaunlich schnell doch einigen Abstand aus, ohne uns wirklich anstrengen zu müssen. Irgendwann gibt die Gruppe hinter uns jedoch Gas und trabt mit unmotivierten Pferden und schnaufenden Reitern an uns vorbei.
Bevor wir an den langen Aufstieg nach Trinidad kommen, machen wir Rast auf einem Baumstamm im Schatten einer Hecke. Eine Pferdegruppe nach der anderen kommt an uns vorbei. Die meisten Touristen sehen ziemlich erledigt aus. Die Pferde variieren zwischen gut aussehend und komplett erbärmlich. Ein Tier fällt mir besonders ins Auge. Es ist ein kleiner Apfelschimmel, der vom kubanischen Tourguide einer Reitergruppe geritten wird. Der Guide hat einen Stock mit einer Plastikkordel daran und treibt sein Perd mit der fortwährend gleichen Handbewegung an. Es ist kaum vorzustellen, wie oft er diese immer gleiche Bewegung mit der Hand in den letzten Tagen, Wochen oder Monaten schon gemacht haben musste, denn das Pferd hat am Hinterlauf und am hinteren Rücken, dort wo jedes mal diese Schnur am Rücken entlang läuft eine tiefe, blutige Kerbe. Die Ränder der Wunde erheben sich als dicke Wulste auf beiden Seiten. Und der Reiter macht immer und immer weiter – die eine selbe Handbewegung, Minute, für Minute, für Minute.
Und weiter geht die Prozession aus Touristen auf ihren Touristenpferden und mit Guides mit Sporen und Tieren mit komplett vernarbten Bäuchen. Ich muss an das armselige Tier mit den großen Fleischwunden vom Vortag denken. Ich seufze und wende mich ab.
Hinter uns aus dem Gebüsch kommt ein junger Kubaner mit einem wirklich hübschen und gut gepflegten Pferd am Führstrick. Als er uns sieht, fragt er woher wir kommen. „Alemagnia“ antworten wir. Er grinst: „Good Country, FC Bayern!“ erklärt er. Wir müssen auch grinsen. Er bringt sein Pferd an den Bach und lässt es im Wasser planschen. Es geht also auch hier anders.
Wir treten den letzten Anstieg an. Nach einigen Metern überholen wir einen alten runzeligen Mann, der eine circa vier Meter lange grüne Bambusstange auf seiner Schulter transportiert. Er wirkt erschöpft. Um uns herum ist recht reger Verkehr: Pferdewagen, Roller, Reiter, Familien mit Kindern, Traktoren, alle wuseln diesen Berg hoch oder hinunter.
Oben angekommen laufen wir durch die Straßen von Trinidad und sind uns plötzlich doch nicht mehr ganz so sicher, wo wir eigentlich hin müssen. Die Sightseeing-App lädt das GPS nicht und irgendwo sind wir falsch abgebogen. Jetzt stehen wir in Straßen mit bunten Häusern und mir kommt keines davon bekannt vor. Noch ist Energie da, also laufen wir auf gut Glück herum. Irgendwann stehen wir vor dem Busbahnhof. Der ist nicht wirklich weit weg von unserer Unterkunft, aber auch nicht wirklich in der Nähe.
Wir duschen in der Unterkunft und gehen dann zum Essen. Faith ist nicht auffindbar, eine genaue Uhrzeit wann wirr uns Treffen hatten wir auch nicht ausgemacht. Da Max und ich am Verhungern sind, können wir jetzt auch nicht mehr warten. Wir entscheiden uns nach dem Essen nochmals nach ihr zu sehen.
Wir gehen wieder ins Adita. Ich bestelle mir Pizza Quadro Queso und einen Cocktail namens Havanna Especial. Ich habe keine Ahnung was das ist, aber man soll ja öfter mal etwas neues ausprobieren, wenn man die Welt kennenlernen möchte. Die Pizza ist sehr gut. Mäkelige Zungen könnten sagen, dass der Blauschimmel vielleicht etwas dominant war. Aber ich hab Hunger, ich esse seit inzwischen eineinhalb Wochen hauptsächlich Reis und Dosenbohnen und ich bin heute bereits 20 Kilometer gelaufen. Aus dieser Perspektive ist es eine der besten Pizzen der Welt. Der Cocktail wiederum ist nicht so das meine. Er schmeckt in erster Linie nach Rum und Wasser. Für geübtere Alkoholiker als mich mag er jedoch ganz erfrischend sein. Ich persönlich fühle mich danach allerdings ausschließlich ganz schön angetrunken.
Nach dem Essen gehen wir zurück zur Unterkunft. Faith ist gerade von einem Ausflug nach Playa Ancon zurück. Sie stellt uns Pablo vor. Pablo ist Versicherungsvertreter aus Uruguay, Mitte vierzig, sehr sympatisch, grinst viel und spricht eher gebrochen Englisch. Faith hatte ihn auf irgendeiner mehrstündigen Busfahrt in Kuba in den letzten Tagen aufgegabelt.
Gemeinsam ziehen wir los, erneut ins Adita. Die zwei bestellen Essen, Max und ich nur einen Cocktail. Ich sitze lange ratlos vor der Cocktailkarte, da mir die ganzen Namen nichts sagen.
Max schlägt mir einen Margarita vor, denn der ist „so ein Eistürmchen“. Das klingt vielversprechend. Der Cocktail kommt. Er ist wirklich ein kleiner Schneeberg, schön mit weißen Kristallen am Glasrand. Zucker wie ich annehme – ein böser Fehler. Ich nehme den ersten Schluck und muss mich zusammenreißen ihn direkt wieder auszuspucken. Wer zur Hölle tut Salz in einen Cocktail? ich wische möglichst unauffällig den Rand meines Glases ein Stück ab und nippe nochmals. Es ist immer noch salzig, es ist grässlich. Max nuckelt derzeit genüsslich einen Pina Colada.
Disco in einer Höhle – die Disco Ayana in Trinidad
Als wir das Restaurant verlassen ist es bereits ordentlich spät. Trotzdem beschließen wir noch einen Tipp unserer Gastgeberin auszuprobieren und machen uns auf den Weg in die Disco Ayana. Der Eintritt kostet 5 CUC, ein Getränk ist jedoch inklusive.
Die Disco ist faszinierend. Sie liegt auf einem unscheinbaren Schotterhügel. Das Viertel davor gehört bestimmt nicht zu den besseren Gegenden in Trinidad, allerdings stehen etliche Cocktailstände herum und ein paar andere Discotheken und Clubs buhlen um Kunden. Ohne Pablo hätten wir vermutlich nicht zu dem Club gefunden, denn er ist wirklich am „Arsch der Welt“. Vor dem Eingang stehen ein paar Security, einer davon hat einen tragbaren Metalldetektor. Was genau er damit will, bleibt offen, denn trotz großer Handtasche voll Metall werde ich nicht kontrolliert.
Der Eingang zur Discothek ist der Beginn einer langen steinernen Treppe. Oben wird der Eintritt kassiert, dann geht es hinab. Bereits am Eingang ist die Höhle imposant. Am Fuße der Treppe ist dann teilweise die Decke sehr niedrig und es geht zu den Toiletten. Der Hauptraum besteht aus zwei Kammern, geformt wie zwei ineinander verschmolzene Blasen. Der hintere Teil liegt dabei etwas höher und ist durch eine Treppe mit dem vorderen Teil verbunden. Im unteren Bereich gibt es eine Bar, die von den anderen Touristen komplett ignoriert wird. Im oberen Bereich gibt es eine weitere Bar, die komplett überfüllt ist, einige Sitzplätze und das DJ-Pult über das die Höhle beschallt wird.
Das tolle an der Disco ist ihre Decke, es ist die naturbelassene Höhle mit all ihren Unebenheiten die gut zehn Meter über den Besuchern hängt. Gespielt wird der hiesige Raggaeton, also Salzamusik. Dazu werden auf zwei kleinen Leinwänden die Musikvideos gezeigt – sprich, die Playlist ist bereits zu beginn des Abends zusammengestellt und läuft dann als ein Lied nach dem anderen herunter. Gemixt wird hier nichts selbst.
Max steht mit großen Augen in der Halle und dreht sich im Kreis: „Hier eine Elektroparty“ schwärmt er versonnen.
Wir halten uns nur eine gute Stunde, da Faith etwas krank ist und Max und ich am nächsten Tag die Weiterreise nach Playa Larga planen. Wirklich Stimmung kommt bis halb eins jedoch nicht auf. Die meisten Leute stehen oder sitzen nur herum und machen Selfies. Die Musik klingt durchweg gleich und lediglich zwei Paare im ganzen Club scheinen zu wissen wie man Salza tanzt. Als wir wieder gehen ist unser Fazit daher gemischt. Irgendwie coole Location, aber man könnte mehr daraus machen.
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