Der Reaktorunfall von Fukushima 12 Jahre danach – wir besuchen das Atomkraftwerk Fukushima, als Ort des verheerenden Tsunamis und der Atomkatastrophe von 2011, ist weltweit bekannt geworden.
Die Bilder der zerstörten Küstenregion und die Auswirkungen des Reaktorunfalls haben sich tief in unser Gedächtnis eingebrannt. Nun haben wir die Möglichkeit, diesen Ort zu besuchen und ein persönliches Gefühl für die Geschehnisse zu bekommen, die wir damals live im Fernsehen mitverfolgt haben.
Unsere Motivation liegt nicht nur darin, die Vergangenheit zu reflektieren, sondern auch den aktuellen Stand des Wiederaufbaus und die Lage in Japan zu erfahren.
Unsere Tour bietet uns die Möglichkeit, die Küstenregion von Fukushima zu erkunden und einen Einblick in die Auswirkungen des Tsunamis und der Atomkatastrophe zu erhalten. Wir möchten die zerstörten Gebiete sehen, mit den Einheimischen sprechen und verstehen, wie sie mit den Herausforderungen des Wiederaufbaus umgehen. Es ist eine Chance, unsere persönlichen Eindrücke mit den Nachrichtenbildern zu verbinden und die Geschichte aus erster Hand zu erleben.
Darüber hinaus interessieren wir uns auch für die aktuelle Lage in Japan. Wie hat sich das Land seit der Katastrophe entwickelt? Wie gehen die Menschen mit den Auswirkungen um und wie wird der Wiederaufbau vorangetrieben?
Tour Plan Tag 1:
- Besuch des TEPCO Decommissioning Archive Center
- Führung durch das Fukushima Daiichi Atomkraftwerk
- Besuch des Hotokehama Hafens
- Die Kirschbaumstraße von Yonomoriminami
- Check-in im J-Village Hotel
- Besuch des Iwasawa Strands
Tag 2:
- Tour entlang der Küste von Fukushima
- Treffen mit Yoshizawa Masami und Besuch seines Bauernhofs
- Treffen mit dem Gärtner von Kakura
- Die Grundschule von Namie
- Futaba – Wiederaufbau im Gange
- Rückreise nach Tokyo
- Die Anreise nach Fukushima
Am frühen Morgen trafen sich die Teilnehmer der Tour am Marunouchi North Exit des Tokyo Bahnhofs. Die Vorfreude und Aufregung waren in der Luft spürbar, da dies die erste Tour in diesem Jahr war und es bisher Schwierigkeiten gab, genügend Teilnehmer zu finden. Insgesamt waren wir fünfzehn Personen, die von unserem Tourguide Fumi begrüßt wurden. Fumi selbst hatte das verheerende Erdbeben in Tokio hautnah miterlebt und war eine Augenzeugin der chaotischen Ereignisse an diesem Tag.
Das Erdbeben 2011 – so war es in Tokio
Fumi erzählte uns von dem Moment, als das Erdbeben begann. Sie befand sich in einem Bürogebäude im 35. Stock und spürte plötzlich einen heftigen Schlag von unten. Die Hochhäuser um sie herum begannen zu schwanken, und sie konnte nicht fassen, wie stark das Erdbeben war. Obwohl Japan dafür bekannt ist, erdbebensicher zu sein, hatten die Menschen in ihrem Büro Zuflucht unter ihren Schreibtischen gesucht. Nachdem das Erdbeben abgeklungen war, setzten sich Fumi und ihre Kollegen wieder an ihre Schreibtische und arbeiteten weiter. Ihre Arbeit in der Finanzbranche sei doch wichtig gewesen, erzählt sie verlegen bei unseren ungläubigen Blicken. Diejenigen Kollegen, die kleine Kinder hatten, waren bereits nach Hause gegangen, da die Kommunikation durch den Ausfall der Telefonnetze unterbrochen war. Fumi erinnerte sich daran, wie sie einen Kollegen sah, der auf seinem Handy einen Film zu schauen schien, doch es waren tatsächlich die Nachrichten mit den ersten Bildern vom Tsunami und dem Atomkraftwerk.
Nach der Arbeit musste sie in Highheels die 35 Stockwerke bis ins Erdgeschoss laufen. Zudem war das U-Bahnnetz zusammengebrochen. Fünf Stunden brauchte sie, um nach Hause zu kommen. Das Wochenende verbrachte sie vor dem Fernseher und sah sich die Berichte über den Tsunami und den Reaktorunfall an. Montag ging sie wieder wie gewohnt zur Arbeit.
Der Tsunami erreichte Tokio nur mit einer Höhe von etwa einem Meter. Nennenswerte Schäden erlitt Tokio weder durch das Erdbeben noch durch den Tsunami. Zeitweise stand jedoch die Befürchtung im Raum, dass bei einem Atomaren Gau die gesamte Stadt evakuiert werden müsse. Diese Information sicherte jedoch erst Jahre nach der Katastrophe die Bevölkerung durch. Japan stieg zwischenzeitlich komplett aus der nuklearen Energiegewinnung aus. Da die erneuerbaren Energien im Land jedoch kaum ausgebaut sind und wegen internationaler Krisen anderweitige Energieerzeugung teuer wird, findet aktuell ein Umdenken zurück zur Kernkraft statt.
Wir werden bei der Tour radioaktiver Strahlung ausgesetzt
Um zu ermitteln, wie viel Strahlung wir auf der Tour ausgesetzt sind, erhalten wir einen Geigerzähler.
Ein Geigerzähler ist ein Gerät zur Messung der radioaktiven Strahlung in der Umgebung. Er erkennt und zählt die ionisierenden Teilchen, die von radioaktiven Materialien abgegeben werden. Der Geigerzähler misst die Strahlung in Einheiten namens Sievert (Sv) oder Millisievert (mSv). Ein Millisievert (mSv) entspricht 1.000 Mikrosievert (μSv).
Im Rahmen dieser Tour werden wir auch einen Geigerzähler verwenden, um die Strahlungswerte in der Umgebung zu überprüfen. Die zu erwartende Strahlungsdosis während der Tour beträgt etwa 0,02 mSv. Um diese Zahl in einen alltäglichen Bezug zu setzen, ist es hilfreich zu wissen, dass die durchschnittliche Strahlendosis, der wir in unserem täglichen Leben ausgesetzt sind, etwa 2-3 mSv pro Jahr beträgt. Das bedeutet, dass die geschätzte Strahlung während der Tour nur einen Bruchteil der alltäglichen natürlichen Strahlenexposition darstellt.
Ein Vergleich könnte sein, dass die erwartete Strahlungsmenge während der Tour etwa dem gleicht, was wir bei einem Röntgenbild ausgesetzt sind. Eine typische Röntgenaufnahme kann eine Dosis von etwa 0,1 mSv haben. Dies verdeutlicht, dass die Strahlenexposition während der Tour minimal ist und keine unmittelbaren gesundheitlichen Auswirkungen hat.
Unser Geigerzähler warnt uns ab einer Strahlenbelastung von 30 μSv je Stunde. Der Alarm geht regelmäßig an – so oft, dass wir in manchen Gebieten das Gerät abschalten, weil es im Bus zu laut wird.
Besuch des TEPCO Decommissioning Archive Center und Fukushima Daiichi Atomkraftwerks
Nach einer 3,5 stündigen Fahrt erreichten wir die Küstenregion von Fukushima. Unser erster Halt war das TEPCO Decommissioning Archive Center, wo wir eine Führung bekamen und mehr über die Hintergründe des Reaktorunfalls nach dem Tsunami erfuhren. Die Mitarbeiter von TEPCO erklärten uns detailliert die Ereignisse und die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um das beschädigte Atomkraftwerk abzuschalten und zu sichern.
Der Reaktorunfall von Fukushima: Das hat sich zugetragen. Am 11. März 2011 wurde das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi von einem schweren Tōhoku-Erdbeben und anschließendem Tsunami heimgesucht. Die Reaktoren wurden automatisch heruntergefahren, der Tsunami beschädigte jedoch die Notstromversorgung und die Kühlsysteme des Kraftwerks, was eine Reihe von schwerwiegenden Problemen auslöste.
Mit der Unterbrechung der Kühlung begannen die Brennstoffstäbe in den Reaktoren 1, 2 und 3 sich zu überhitzen. Trotz der Bemühungen des Betriebspersonals, die Reaktoren von Extern zu kühlen, blieben die Maßnahmen erfolglos. Am 12. März explodierte Reaktor 1 aufgrund des Wasserstoffgases, das sich durch die Verdampfung des Wassers in den überhitzten Brennstoffstäben bildete. Diese Explosion riss den oberen Teil des Reaktorgebäudes ab und setzte das radioaktive Gas frei. Die Explosion zerstörte auch Teile der Fassade von Reaktor 2, was dazu führte, dass dort entstandener Wasserstoff ohne weitere Explosion entweichen konnte. Zwei Tage später, am 14. März, führte ein ähnlicher Überhitzungsprozess zu einer weiteren Wasserstoffexplosion im Reaktor 3. Diese Explosion war deutlich stärker als die in Reaktor 1 und führte ebenfalls zur Freisetzung von Radioaktivität.
Reaktor 4 war zum Zeitpunkt des Erdbebens und Tsunamis für Wartungszwecke stillgelegt und daher ohne Brennelemente. Im Abklingbecken des Reaktors befanden sich jedoch verbrauchte Brennelemente. Durch die gemeinsame Abluftanlage mit Traktor 3 sammelte sich auch in diesem Gebäude Wasserstoff, der schließlich am 15. März explodierte und das Gebäude stark beschädigte. Die anhaltende nukleare Krise zwang die japanischen Behörden dazu, etwa 154.000 Einwohner aus der Umgebung des Kraftwerks zu evakuieren. Anfangs war die Evakuierungszone auf einen Radius von 20 Kilometern festgelegt, der später auf 30 Kilometer erweitert wurde.
Im April 2011 wurde eine Sperrzone eingerichtet, die den Zugang zu Gebieten in einem Umkreis von 20 Kilometern um das Kraftwerk verbot. Diese Zone wurde später erweitert und angepasst, basierend auf der gemessenen Radioaktivität. Bis heute gibt es Bereiche, die immer noch für die Öffentlichkeit gesperrt sind. Andere Gebiete, die wieder zugänglich und teilweise auch wieder bewohnt sind, haben wir später im Laufe der Tour besucht. Was ist der aktuelle Stand (06/2023) im Atomkraftwerk Fukushima 1? Reaktoren 1 bis 3 erlitten einen Kernschmelzunfall, bei dem der Reaktorkern schmolz und die Brennstäbe miteinander verschmolzen. Um die Situation zu stabilisieren, wurden die Brennstäbe inzwischen in Beton eingehüllt und es wird weiterhin Wasser in die Reaktoren eingespritzt.
Die Brennstoffe zu bergen gestaltet sich schwierig, da sie zum einen extrem heiß sind, radioaktiv strahlen und unter Trümmern und teilweise unter Wasser liegen. Daher werden für die Aufklärung und Bergung Spezialroboter eingesetzt, die teilweise nur zu diesem Zweck entwickelt wurden. Aus Reaktor 1 etwa 10% der Brennstoffabfälle bisher geborgen. In Reaktor 2 hat die Bergung begonnen und eine kleine Menge Brennstoffabfälle wurde erfolgreich entfernt. Für Reaktor 3 befindet sich die Bergung noch in der Planungsphase. Reaktor 4 konnte inzwischen weitgehend geräumt werden. Zur Behandlung des kontaminierten Wassers, das aus den beschädigten Reaktoren austritt, setzt TEPCO eine Vielzahl von Methoden ein, darunter das Advanced Liquid Processing System (ALPS). Mit ALPS können die meisten radioaktiven Materialien aus dem Wasser entfernt werden, jedoch nicht das gesamte Tritium.
Die Überwachungsdaten zeigen, dass die Strahlungspegel in der Umgebung seit dem Unfall erheblich gesunken sind. Dennoch gibt es noch immer Bereiche mit erhöhter Strahlung.
Bis 2050 sollen die Reaktoren vollständig zurückgebaut werden – Ein Ziel, das internationale Experten allerdings für reichlich ambitioniert halten.
Wie nah kommt man bei einer Fukushima Tour an die Reaktoren? Näher als erwartet!
Unser Besuch bei TEPCO, dem Betreiber des havarierten Kernkraftwerks Fukushima, beginnt in einem Meetingraum. Wir erhalten eine kurze Einführung, dann werden wir in einen Kinosaal gebracht, in dem wir Szenen der Katastrophe, dem Tsunami und den Explosionen der Reaktoren zu sehen bekommen. Es ist ein Imagefilm, in dem TEPCO betont, wie schlimm die Naturkatastrophe war, aber auch wie sehr sie die Verantwortung für den Reaktorunfall übernehmen. Nach dem Film führt uns ein Mitarbeiter durch die Geschehnisse, die zum Unfall geführt haben, und informiert uns über den aktuellen Stand der Aufräumarbeiten. Anschließend werden wir mit einem Bus zum Atomkraftwerk gebracht, wobei wir lediglich unsere Kleidung und einen Geigerzähler bei uns haben.
Nach der Überprüfung unserer Identitäten und der Ausstellung unserer Besucherausweise betreten wir durch eine Schleuse den Vorbereitungsraum, in dem jeder von uns einen zusätzlichen Geigerzähler erhält. Anschließend fährt uns der Bus durch das Gelände des Atomkraftwerks. Überall um uns herum sehen wir Wassertanks und bemerken, dass die Anzeige unseres Geigerzählers plötzlich stark ansteigt – ein Zeichen dafür, dass wir uns den Reaktoren nähern.
Von einer Aussichtsplattform nur wenige hundert Meter von den Reaktoren entfernt haben wir einen direkten Blick auf die Trümmer, die Kräne und die Arbeiten am Reaktor. Es ist ein beeindruckender, aber auch beängstigender Anblick. Die Strahlungswerte steigen auf bis zu 70 Mikrosievert an, während uns ein Mitarbeiter Fragen zu den Aufräumarbeiten beantwortet. Als die ersten Geigerzähler Alarm schlagen, setzen wir unsere Tour fort und besichtigen einen ehemaligen Wassertank, der durch die Wucht des Wassers völlig deformiert wurde.
Zurück im Hauptgebäude müssen wir durch einen Strahlungsdetektor, eine kleine, dunkle Kabine, die für Menschen mit Klaustrophobie herausfordernd sein kann. Zum Abschluss unseres Besuchs erläutert uns ein Mitarbeiter das Advanced Liquid Processing System (ALPS) zur Wasseraufbereitung und die Problematik der immer weiter zunehmenden Menge an kontaminiertem Wasser. TEPCO plant, dieses Wasser ins Meer zu leiten, was jedoch bei den Einheimischen auf Widerstand stößt, da sie eine hohe Tritiumbelastung der Umwelt befürchten.
Der Hafen von Hotokehama
Als nächstes steht auf unserer Tour der Hafen von Hotokehama auf dem Programm, der traurige Berühmtheit erlangt hat, weil er einer der ersten Orte war, die der Tsunami 2011 getroffen hat. Wir erfahren mehr darüber, warum so viele Leute vom Tsunami getroffen wurden. Viele Anwohner brachten sich beim Erdbeben nicht in Sicherheit, weil Erdbeben in Japan zum Alltag gehören. Ein Tsunami dieses Ausmaßes ist ein Jahrhundertereignis, mit dem die Anwohner nicht rechneten. Hotokehama war einst ein blühender Fischerhafen und trotz der erheblichen Schäden, die der Tsunami verursacht hat, arbeitet die Gemeinschaft hart daran, die Fischerei wieder aufzubauen und das Gebiet zu regenerieren.
Die Kirschbaumstraße von Yonomoriminami
Unser nächster Stopp ist die Kirschbaumstraße von Yonomoriminami, die für ihr jährliches Kirschblütenfest bekannt ist. Dieses Fest war einst ein Highlight im lokalen Kalender und zog Besucher aus der ganzen Region an, die kamen, um die Pracht der Kirschblüten zu bewundern. Nach dem Reaktorunfall in Fukushima wurde die Gegend jedoch zur Sperrzone erklärt, und die wunderschönen Kirschbäume mussten im Zuge der Dekontaminationsarbeiten stark zurückgeschnitten werden.
Lange Zeit waren die Straßen von Yonomoriminami leer und die Kirschbäume blühten nur für sich selbst. Doch dieses Jahr hat das Kirschblütenfest zum ersten Mal seit der Katastrophe wieder stattgefunden.
Übernachtung im J-Village Hotel
Das J Village Hotel ist das nationale Trainingslager für Sportler und umgeben von weitläufigen Sportplätzen. Es liegt am Rande der Sperrzone und blieb sowohl von der Strahlung weitgehend verschont als auch vom Tsunami, da dieser Küstenabschnitt höher liegt. 2011 wurde das J-Village für einige Zeit zum Koordinationszentrum der Einsatztruppen und Ersthelfer.
Heute tummeln sich auf den Gängen vor allem jugendliche Sportler, die hier Trainingslager haben.
Da es nur Einzelzimmer gibt, erhalten wir zwei separate Zimmer. Die Betten sind jedoch so groß, dass wir uns entschließen, ein Zimmer gemeinsam zu beziehen.
Tag 2: Tour entlang der Küste von Fukushima
Am nächsten Morgen brachen wir vom J-Village Hotel auf, um die Küstenregion von Fukushima genauer zu erkunden. Wir besuchten verschiedene Orte, die stark von der Katastrophe betroffen waren. Die Auswirkungen des Tsunamis waren immer noch sichtbar. Verlassene Gebäude und zerstörte Landschaften zeugten von der Zerstörungskraft der Natur.
Treffen mit Yoshizawa Masami – Der Cowboy von Fukushima
Während unserer Tour hatten wir die Möglichkeit, mit den Einheimischen zu sprechen, die die Katastrophe hautnah erlebt hatten. Sie erzählten uns von ihrem Überlebenskampf, dem Verlust ihrer Häuser und ihrer Angehörigen und den Herausforderungen beim Wiederaufbau ihrer Gemeinschaften. Ihre Geschichten waren herzzerreißend, aber gleichzeitig zeugten sie von einer unglaublichen Stärke und Entschlossenheit, sich nicht unterkriegen zu lassen.
Ein besonderes Highlight war der Besuch von Yoshizawa Masami, einem Landwirt, der sich weigerte, seine Kühe zu töten und stattdessen dafür kämpfte, sie am Leben zu erhalten. Yoshizawa und sein Team haben über 200 Kühe gerettet und kümmern sich um sie, obwohl es finanziell immer schwieriger wird. Seine Geschichte war inspirierend und zeigte uns, wie ein einzelner Mensch gegen alle Widrigkeiten kämpfen kann, um eine Botschaft des Widerstands und der Hoffnung zu vermitteln.
Yoshizawa ist inzwischen ein glühender Kämpfer gegen Atomkraft und gegen die Stigmatisierung der Überlebenden. Er würde zu gerne mal nach Deutschland kommen und dort über die Folgen von Fukushima sprechen – und aufs Oktoberfest möchte er auch, gesteht er grinsend.
Treffen mit dem Gärtner von Kakura
Ein weiterer Überlebender, den wir kennenlernen dürfen, ist der Gärtner von Kakura. Als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr leistete er unmittelbar nach dem Tsunami Hilfe bei Rettungs- und Evakuierungsaktionen, bevor er auch selbst evakuiert wurde. Er schildert die Zerstörungen, Verzweiflung und Unübersichtlichkeit der Lage nach dem Tsunami sehr anschaulich. Nach einer Reihe von Jahren außerhalb der Region ist er nun einer der ersten Rückkehrer in sein Heimatdorf Kakura. Anstatt sich von der Tragödie besiegen zu lassen, widmet er sich dem Anbau von Blumen. Er möchte etwas Schönes kreieren. . Besonders auf seine Nelken ohne Blütenblätter ist er stolz.
Anders als beispielsweise Cowboy betrachtet er Atomenergie nicht ausschließlich als Problem, sondern sieht in ihr eine gewisse Notwendigkeit. Seine größte Enttäuschung richtet sich nicht gegen die Atomenergie selbst, sondern gegen die Regierung. Er teilt das Gefühl vieler Überlebender, dass die Reaktion und Ersthilfe der Regierung nach dem Tsunami und dem nuklearen Unfall unzureichend waren. Dieses wiederkehrende Thema unter den Rückkehrern unterstreicht die anhaltende Frustration und das Misstrauen gegenüber den Behörden und ihrer Handhabung der Katastrophe.
Die Grundschule von Namie: Ruinen der Ukedo Elementary School
Rund 80 Schüler wurden von dem 15 Meter hohen Tsunami verschont, dank der raschen Evakuierung auf einen nahegelegenen Hügel durch das Schulpersonal. Heute ist die Schule eine Erinnerungsstätte an die Katastrophe. Die Spuren des Tsunamis sind immer noch sichtbar: Die Klassenräume sind mit Schlamm und Schutt gefüllt, und persönliche Gegenstände der Schüler, wie Schultaschen und Schreibwaren, sind so geblieben, wie sie nach dem Tsunami zurückgelassen wurden. Besucher können die Schule betreten und diese Überreste aus der Nähe betrachten, was ein klares Bild von der unmittelbaren Folge des Tsunamis vermittelt.
Im Rahmen der Bemühungen, die Geschichte der Katastrophe zu dokumentieren und weiterzugeben, wurden im Schulgebäude Informationspaneele und Ausstellungsstücke installiert.
Rückkehr nach Tokyo
Nachdem wir die Küstenregion von Fukushima erkundet hatten, traten wir die Rückreise nach Tokyo an. Es war eine lange Fahrt, aber die Eindrücke und Erfahrungen der letzten beiden Tage ließen uns nicht los. Wir waren tief bewegt von den Geschichten der Menschen, die wir getroffen hatten, und von der immensen Zerstörungskraft der Natur und der Auswirkungen des Reaktorunfalls.
Dennoch, die Tour zeigt deutlich, dass das Leben weitergeht. Die Menschen kehren zurück wo möglich und bauen die Städte wieder auf. Darauf stoßen wir an mit einem Becher Sake. Gebraut aus Reis und Wasser aus Fukushima – Natürlich auf Radioaktivität getestet und für sicher befunden. Ein letztes Mal schlagen unsere Geigerzähler Alarm, nicht wegen des Sake, sondern weil wir einen nicht dekontaminierten Straßenabschnitt passieren.
Unser Fazit
Die Tour nach Fukushima war eine eindringliche Erfahrung, die uns die Auswirkungen der Katastrophe von 2011 vor Augen führte. Die Besuche des TEPCO Decommissioning Archive Center und des Fukushima Daiichi Atomkraftwerks gaben uns einen Einblick in die Hintergründe des Reaktorunfalls und die enormen Herausforderungen bei der Bewältigung der Folgen. Die Begegnungen mit den Einheimischen, die ihre Geschichten mit uns teilten, waren emotional und ließen uns nachdenklich zurück.
Die Auswirkungen der Katastrophe sind auch jetzt, Jahre später, noch deutlich spürbar. Die Region Fukushima und ihre Bewohner kämpfen immer noch mit den Folgen und dem Wiederaufbau.